Seat Leon Sportstourer 2.0 TDI Fahrbericht : Teils digital, teils genial

Seat Leon Sportstourer 2.0 TDI.
Foto: Auto-Medienportal.Net/Michael Kirchberger

Der Leon ist Seats Zugpferd. Er hat vor drei Jahren der sportlichen Submarke Cupra das Feld bereitet und gilt hier als ernsthafter Rivale des Allzeitsportlers Golf GTI. Aber der Spanier kann auch weniger heißblütig. Als Sportstourer, wie Kombis heute heißen, bringt er mehr als eine Handbreit Länge mehr ins Rennen und wirkt trotzdem und mit bis zu 1600 Liter Transportvolumen keineswegs langweilig. Vor allem aber gibt es hier den formidablen 2,0-Liter-Vierzylinder-Diesel, der mit 150 PS und 360 Newtonmetern Drehmoment für zügiges Vorankommen sorgt.

Im Grunde gehört der Leon ST zur Kompaktklasse, ist mit stolzen 4,64 Meter Länge jedoch eher ein Grenzgänger mit dem Hang zu Höherem. Vorn gleicht er der viertürigen Limousine, hinten dagegen schafft ein üppiger Überhang des schrägen Hecks reichlich Stauraum, schiebt den frontgetriebenen Seat überdies optisch an. Der breite Dachkantenspoiler und die aufliegende Reling strecken die Silhouette zusätzlich, die 17 Zoll großen Leichtmetallräder – sie zählen bei der Spitzen-Ausstattungsversion Xcellence zum Serienumfang – relativieren die Proportionen wohltuend. Innen empfängt eine aufgeräumte Architektur mit klaren Linien und ansprechender Formgebung. Nicht nur die das Cockpit einrahmende Ambientebeleuchtung und die horizontal verlaufende, farblich abgesetzte Brüstung der Armaturentafel machen das Interieur elegant und dennoch wohnlich.


Elektronik nicht ohne Tücken

Wie der artverwandte VW Golf setzt auch der Leon auf Digitalisierung. Die räumt auf, lässt Knöpfe und Schalter verschwinden, birgt aber manche Tücke. So lassen sich die vielfältigen Assistenten und das Infotainment vor allem über den berührungssensitiven Zentralmonitor auf der Schalttafel steuern, aber wie der Wolfsburger Kollege ist die Elektronik noch grün hinter den Ohren. Da kam uns die barocke Kinoreklame des örtlichen TV-Spezialisten Fröhlich in den Sinn, über die wir uns als Jugendliche im Lichtspieltheater stets amüsierten. „Kein Licht, kein Ton? Wir kommen schon.“, verkündete das Werbefilmchen, gern hätten wir den Servicemann heute zu Rate gezogen. Denn zunächst versagte die Audioanlage ihren Dienst, war um nichts in der Welt dazu zu bewegen, Radioklänge und geschweige denn Verkehrsmeldungen zu übermitteln. Was in Zeiten von schneefallbedingten Straßensperrungen ein unerfreulicher Verlust war. Erst als das Audio ohne unser Zutun wieder spielte, war die Laune an Bord wieder gut, vor allem, weil die Tonübertragung der Beats-Anlage mit formidablem Surround-Klang erfreute.

Kurz vor dem Abschied vom Leon ST war dann das Bild weg. Der Monitor blieb dunkel, die Bedienung der Heizung somit ein Tappen im Dunkeln. Entweder verbreitete das Gebläse bei minus fünf Grad draußen auch innen einen eisigen Hauch oder temperierte den Innenraum auf Affenhitze. Die Sprachsteuerung der Systeme war nicht hilfreich, vielleicht haben wir das „Hola“ mit dem die Aufmerksamkeit der Erkennung geweckt wird, nicht spanisch genug ausgesprochen. Lästig ist zudem die umständliche Abschaltung der Assistenten wie die Spurhalte-Warnung. Wie bei vielen anderen Automobilen agiert sie bisweilen hyperaktiv und reagiert zu empfindlich. Etwa auf Spurrillen im Schnee oder ungültigen Fahrbahnmarkierungen in Baustellen. Um die störenden Warnhinweise oder gar den sanften Eingriff in die Lenkung zu unterbinden, bedarf es nicht weniger als vier Schritte, mit denen die entsprechenden Schaltflächen auf dem Display (so es denn funktioniert) berührt werden müssen. Wenn das mal nicht vom wirklich wichtigen Verkehrsgeschehen ablenkt, wir sehnen uns nach Schaltern und Tasten.

Nun aber zu den liebenswerteren Seiten des Leon Sporttourers. Nicht nur das Raumangebot für die Passagiere ist mehr als großzügig. Sie finden vorne wie hinten ein überaus gutes Platzangebot und straffe, angenehme Sitze. Auch großes Gepäck kommt mühelos unter, stolze 620 Liter sind es mindestens, wenn der variable Kofferraumboden ungenutzt bleibt. Nach dem Umklappen der Rücksitzlehnen wächst die Transportkapazität auf 1600 Liter. Eben wird die Ladefläche dank des Einlegebodens, dann aber geht dem Spediteur ein gutes Stück an Volumen darunter verloren. Was nicht weiter nachteilig ist, der Seat Kombi muss vor kaum einer Transportaufgabe passen. Hilfreich ist die elektrische und sensorgesteuerte Betätigung der weit nach oben schwenkenden Heckklappe, sie kostet allerdings 740 Euro extra.

Ein Bilderbuchdiesel zum Verlieben

Der zwei Liter große Diesel wird per Knopdruck gestartet und gibt sich kaum als solcher zu erkennen, vor allem bei einem Warmstart mag mancher zweifeln, welcher Treibstoff da gerade verbrannt wird. Die Maschine läuft außerdem vibrationsarm, was gerade auf längeren Strecken eine willkommene Tugend ist. Dabei fehlt es dem Selbstzünder nicht an Durchzugskraft, in nur 8,4 Sekunden beschleunigt er den immerhin fast 1,5 Tonnen schweren Leon ST von 0 auf 100 km/h, 218 km/h liegen bei Höchstgeschwindigkeit an. Das Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen unterstützt beim Sprinten ebenso zuverlässig wie beim Sparen. Flink wechselt es die Übersetzungen und findet mit beeindruckendem Urteilsvermögen stets die passende.

Zwar bleibt die Lenkung nicht völlig frei von den Einflüssen des Antriebs, wenn die Drehmomentkurve sich auf ihrem breiten Scheitelpunkt befindet, was aber eine lässliche Sünde ist. Aber die Automatik erkennt Fahrzustände in Abhängigkeit vom gewählten Fahrmodus. Die Dynamik-Stufe lässt die Drehzahl steigen und verfeinert das Ansprechverhalten des Gaspedals, das Eco-Programm dagegen aktiviert den Sparmodus und lässt den Leon ausrollen, wo immer es geht.

Die Herstellerangaben beim Verbrauch konnten wir dennoch nicht schaffen, 3,9 Liter im alten NEFZ-Zyklus und 4,5 Liter Diesel im realistischeren WLTP-Verbrauch sollen dem Leon ST für 100 Kilometer genügen, wir waren im Mittel dagegen mit 5,4 Liter Treibstoff auf 100 Kilometer unterwegs, was angesichts des üppigen Leistungsangebotes und des Eigengewichts kein verwerflicher Wert ist. Zumal 45 Liter Tankinhalt stattliche Reichweiten erlauben und das Zeitfenster für die Tankstellenfahrt bei günstigen Tagespreisen vergrößert. Und der Diesel ist nun wohl wirklich sauber. Dank doppelter Adblue-Einspritzung geht es dem NOx an den Kragen, beim CO2 konnten die Benziner dem Selbstzünder ohnehin nie das Wasser reichen. So wird der Leon auch als Kombi in die Effizienzklasse A+ eingestuft, was in Anbetracht der Motorpotenz eine beachtliche Leistung ist.

Wenig Nachsicht hat der gefällige Kombi mit seinen Passagieren beim Fahrkomfort. So stramm er um die Kurven marschiert und mit ausgezeichneter Beherrschbarkeit die Laune des engagierten Chauffeurs steigen lässt, so unbarmherzig gibt er sich, wenn die Fahrbahnen schlecht sind. Burschikos rumpelt er über Verwerfungen, gibt vor allem kurze Stöße nur geringfügig gedämpft an die Insassen weiter. Mehr Feingefühl legen die Bremsen an den Tag, die sich sehr gut dosieren lassen und einen sehr genau definierten Druckpunkt haben. Tadellos ist zudem die Lenkung, die niemals Zweifel am Traktionszustand der Reifen zulässt und immer Präzision vermittelt.

Auch der Preis ist auf dem Weg zur Mittelklasse

Die Spitzenausstattung bringt eine ganze Reihe Komfort spendender Helfer und Assistenten an Bord, so zum Beispiel das LED-Licht, die dynamischen Blinkleuchten am Heck, das schlüssellose Startsystem und die Drei-Zonen-Klimaautomatik. Für Extras wie eine elektrisch ausschwenkende Anhängerkupplung, das Surround-Audiosystem von Beats und das große Panorama-Schiebedach müssen Aufpreise gezahlt werden. So kommt es, dass aus dem Basispreis von 33.630 Euro am Ende doch 46.666 Euro werden. Für die Differenz gäbe es bei Seat auch schon ein ganzes Auto, nämlich einen ordentlich ausgestatteten Mii. Aber der ist eher etwas für Single-Haushalte in der City. Der Leon Sportstourer dagegen fühlt sich überall wohl, auch wenn man sich ob seiner Länge doch über den Parkassistenten, ganz sicher aber über die Parksensoren und die Rückfahrkamera freut. (ampnet/mk)

Daten Seat Leon Sportstourer 2.0 TDI

Länge x Breite x Höhe (m): 4,64 x 1,80 x 1,45
Radstand (m): 2,67
Motor: 4-Zylinder-Diesel, 1998 ccm, Turbo, Direkteinspritzung
Leistung: 150 PS (110 kW) bei 4500 U/min
Max. Drehmoment: 360 Nm bei 1700–2750 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 218 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 8,4 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 4,5 Liter
Testverbrauch: 5,4 Liter
Effizienzklasse: A+
CO2-Emissionen: 104 g/km (Euro 6)
Leergewicht / Zuladung: min. 1490 kg / max. 590 kg
Anhängelast: 1600 kg
Kofferraumvolumen: 620 bis 1600 Liter
Wendekreis: 10,6 m
Bereifung: 225/45 R 17
Tankinhalt: 45 Liter
Garantie: 2 Jahre
Wartungsintervall: 30.000 km
Preis: 33.630 Euro
Testwagenpreis: 46.666 Euro

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